Dienstag, 6. Juli 2010

Doryphoros und die Proportionen

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Doryphoros, römische Kopie, Vorderansicht

Rückansicht

Der griechische Bildhauer Polyklet schuf um 440 v. Chr. seine wohl bekannteste Statue “Der Speerträger (Doryphoros)”. Sie ist das Resultat seiner Proportionstheorie, Kanon genannt. Heute existieren keine seiner Werke, doch sind viele Kopien (meist in der Römerzeit geschaffen) erhalten geblieben, sodass wir die Möglichkeit haben, sein Proportionsschema kennenzulernen. Dieser wird noch heute, fast 2500 Jahre später, verwendet.

Am Doryphoros kann man u.a. folgende Proportionierungen herausleiten:
- Kopf (Scheitel bis Kinn) –> 1/8 Körperlänge
- Gesicht (Haaransatz bis Kinn) –> 1/10 Körperlänge
- Stirn, Nase, Mundpartie jeweils 1/3 vom Gesicht
- Schulterbreite 1/4 Körperlänge
- Taille 1/6 Körperlänge
- Hüfte 1/5 Körperlänge

Darüber hinaus ist auch der Goldene Schnitt in der Figur enthalten und zwar in den Verhältnissen zwischen:
- Scheitel bis Nabel und Nabel bis Fußsohle
- Fußsohle bis Knie und Knie bis Nabel
- Scheitel bis Hals und Hals bis Nabel

Seine Statuen wurden also nicht nach dem lebenden Modell abgefertigt, sondern folgten einer Idealfigur.

Besonders zu erwähnen sei die Tatsache, dass Polyklet die meisten seiner Figuren im Kontrapost darstellte, also das Spiel mit Standbein (der das Körpergewicht trägt) und Spielbein (der das Gleichgewicht hält). Durch diese Körperhaltung ergeben sich besondere Gegensätze innerhalb der Figur: Ruhe und Bewegung, Spannung und Entspannung, Hebung und Senkung. Es ist ein Gleichgewicht von Gegensätzen. Der Becken hebt sich auf der Seite des Standbeins, gleichzeitig neigt sich die Schulter entgegen. Der Oberkörper beschreibt dabei ein S-Linie (besonders in der Rückenansicht zu erkennen).

Am Doryphoros können wir auch sehr gut die Anatomie studieren. Die markantesten Stellen wo sich die Knochen und Muskeln unter der Haut abzeichnen sind besonders gut zu erkennen (Rippen, Brustkorb, Schädel, Schienbein, etc.).

Polyklet hat mit dem Doryphoros ein Meisterwerk erschaffen, der uns als Proportionsschema und als organische Gliederung des Körpers sehr hilfreich ist.

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