Es gibt keine Linien in der Natur, nur nebeneinander liegende Farbflächen.
(Edouard Manet)
Mit Linien übertragen wir ein Motiv zeichnerisch auf das Zeichenblatt. Diese Linien existieren aber (meistens) in Realität nicht. Wenn wir folgendes Bild eines Würfels anschauen, so erkennen wir, dass obiges Zitat von Edouard Manet zutrifft.
Der Würfel besteht aus 3 Flächen, die durch die Tonwerte eine plastische Darstellung erzeugen.
Das gleiche Motiv zeichnerisch mit Linien: Anhand von wenigen Linien haben wir ein 3 dimensionales Objekt auf eine 2 dimensionale Zeichenoberfläche gezeichnet. Linien sind also beim Zeichnen ein mächtiges Werkzeug.
Linien können für verschiedene Zwecke eingesetzt werden:
Umriß - Mit den Umrißlinien trennen wir das Motiv vom Hintergrund und erzeugen somit die Illusion, dass das Objekt vor dem Hintergrund liegt. Der Umriß einer Birne erzeugt bereits ein Bild beim Betrachter (egal ob Glühbirne oder Frucht ;)
Flächen/Ebenen – Im obigen Beispiel trennen wir mit den 3 innenliegenden Linien die 3 sichtbaren Flächen des Würfels. Sie dienen uns also zum Trennen von Flächen.
Farben und Tonwerte – Gehen wir davon aus, dass sich auf der oberen Fläche des Würfels eine runde andersfarbige Fläche befindet, so können wir dies ebenfalls mit einer Linie erzeugen. Auch Tonwerte können mit Linien getrennt werden. Schatten auf der menschlichen Figur werden gerne zuerst umrandet, um diese schattigen Fläche beim Beobachten besser analysieren zu können.
Linien markieren den Übergang von einem Farbton in den anderen, wie z.B. Iris, Pupille und Lippen. Quelle Fotos: fotocommunity |
Licht und Schatten – Unterschiedliche Linienstärken vermitteln unterschiedliche Tonwerte auf dem Objekt. Dort wo die Linie stärker und dunkler betont wird, wird Schatten suggeriert; dort wo eine dünne Linie oder die Linie unterbrochen wird, wird Licht oder Glanzlicht suggeriert.
In dieser Zeichnung von Toulouse-Lautrec (Odon Tapié de Céleyran) erkennt man genau wie die Vorderseite des Mantels mit leichteren Linien gezeichnet worden ist als die Rückseite (da das Licht frontal zum Jungen eintrifft). Dadurch erzeugt der Künstler Plastizität. |
Form – Mit Linien kann eine bestimmte Form betont werden.
links - die runde Linie betont die Form eines Kreises rechts - durch das Liniengitter wird die Form einer Kugel betont |
Das gleiche Prinzip wird beim Figurenzeichnen benutzt um eine Form zu betonen und ihr Volumen zu geben:
Ausschnitt aus einer Dürer Zeichnung. Durch die gebogenen Schattierungslinien wird die runde Form der Beine betont | modifizierte Schattierungslinien. Die runde Form wird nicht mehr betont. |
Stoffe eignen sich sehr gut, eine darunterliegende Form zu betonen:
In obiger Zeichnung von Gustav Klimt (Kauernde von vorne) werden durch die Linien des Stoffes das linke Bein der Frau betont, vor allem das Schienbein lässt sich gut erkennen. |
Um eine bestimmte Form besser zu verstehen und zu zeichnen ist es sehr hilfreich, im Gedanken Linien um die Form zu ziehen; besonders bei der menschlichen Figur.
Auszug aus einer Seite aus dem Buch The Artist's Guide to Human Anatomy (Gottfried Bammes) |
Beim studieren der menschlichen Anatomie lernt man nicht nur die das Zeichnen der Gesamtfigur, sondern man lernt auch welche Linien besonders oder weniger betont werden müssen. Mit diesen Linien kann man bestimmte Muskeln, Knochen und andere markante Stellen betonen. Dadurch wirkt die Zeichnung lebendiger und charaktervoller.
Neben dem Besuch von Aktkursen empfehle ich das Buch Atlas of Human Anatomy for the Artist - S.R.Peck.
Viele der o.g. Funktionen der Linie ergänzen sich und können gemeinsam benutzt werden. Als Beispiel nehmen wir wieder die Zeichnung von den Lippen: |
Viel Spaß beim Zeichnen :)
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